Was passiert, wenn man sich mehr Zeit für die Strecke zwischen den Großstädten lässt
Reportage von Cindy Ruch
Um zu feiern und Australien hautnah kennenzulernen, sollte man nicht nur von einer Großstadt zur nächsten springen. Genauso beeindruckend sind die kleinen Städte dazwischen. Mit ihren breiten Straßen, der lokalen Bäckerei und den drei Pubs, wo sich am Abend beinahe alle Einwohner treffen, versprühen sie ein ganz besonderes Flair.
Noch größere Treffen finden mehrmals jährlich in jedem Dorf und jeder kleinen Stadt statt, wenn Bierzelte, Misswahlen und Schießbuden für Festivals aufgefahren werden. Hier findet man den Kern Australiens, in all seiner Herzlichkeit, Betrunkenheit und mit einem tiefaustralischen Akzent. Und manchmal auch noch einen Job.
Dorffeste in Deutschland habe ich besonders in der Schulzeit kennengelernt. Jeden Samstag bin ich zu einem anderen Fest geradelt und habe meine Freunde dort getroffen. Gemeinsam probierten wir unsere ersten Colaweizen, versuchten im Anblick von den Freunden unserer Eltern nicht betrunken zu wirken und tanzten im Partyzelt zu der Musik einer lokalen Band. Es ging um das Wiedersehen, das Treffen von Freunden und letztendlich einfach um das Gemeinschaftsgefühl.
Charleville Cup
Vor einigen Wochen stolperte ich in eine ähnliche Atmosphäre in Charleville, 750 Kilometer westlich von Brisbane. Der Charleville Cup fand zeitgleich mit dem Melbourne Cup statt, und die ganze Stadt hatte sich in Schale geworfen. Über den roten Sand liefen die Mädchen mit zauberhaften Hüten und beeindruckend hohen Schuhen und die Männer hatten die leichten Arbeits-Tshirts gegen Anzüge eingetauscht, nur der Hut blieb auf dem Kopf gegen die Hitze des Outbacks und für das Cowboygefühl.
Überall standen kleine Gruppen zusammen, lösten sich nach einer Weile wieder auf und fanden sich zu neuen Gruppen zusammen. Jeder schien hier jeden zu kennen und alle Altersgruppen waren anwesend. Die Erwachsenen tranken das Queenslander XXXX Gold Bier, die Kinder spielten auf der Wiese neben der Rennbahn und Jugendliche lungerten auf der Tribüne herum.
Als wir zum Wettstand liefen, waren wir plötzlich auch in einer kleinen Gruppe, die uns den Ablauf einer Pferdewette erklärte. Lachen, Schulterklopfen. Hier standen keine Informationstafeln für Touristen rum, die die Spielregeln erklärten, hier wuchs man mit dem jährlich stattfindenden Pferderennen und seinen Regeln auf. Gemeinsam mit wohl ganz Charleville beobachteten wir, wie die Pferde auf der anderen Seite der Pferderennbahn lossprinteten. Roter Sand stiebte auf, sie kamen näher und wir hörten und sahen sie galoppieren, größer werdend. Die Jockeys klammerten sich auf dem Pferderücken fest, wir klammerten uns an unsere gelben Wettzettel – und dann ... ein Rauschen. Fünf verschwommene Pferde rasen dem Ziel entgegen an uns vorbei. Ein Raunen ging durch die Menge, eine Mischung aus verlorenem Seufzen und glücklichen Ausrufen. Wir gewannen, wir verloren. Genauso wie der Rest von Charleville.
Am Abend wurden die Highheels gegen Flipflops eingetauscht und eine Schicht von gelben Bierdosen bedeckte den Boden. Eine Band spielte Countrymusik, mehr und mehr Leute tanzten. Auch wir wippten die Füße im Takt, tranken unser halbstarkes Bier und fühlten uns so australisch wie nie zuvor.
Die Festivals in unterschiedlichen Regionen
Jede kleinere oder größere Stadt veranstaltet jährlich solcher Festivals, zu denen alle Einwohner der Stadt kommen, doch kaum Touristen. Als Reisender ist man immer noch die Ausnahme und wird nicht, wie so oft in der Stadt, mit dem Spruch „Es sind ja fast nur Deutsche in Australien" abgespeist.
Hier tritt die Neugier in den Vordergrund, gefolgt vom Stolz der Einwohner, dass man ihre kleine Stadt auf den Reiseplan gesetzt hat.
Um einen Überblick über die Festivals in einer Region zu bekommen, empfiehlt sich diese Webseite.
© Foto: Tourism & Events Queensland
Die verschiedenen Countryshows
Doch was genau wird auf den Festivals geboten, wenn nicht gerade ein Pferderennen stattfindet?
Agshowsaustralia.org.au hilft weiter.
In den Dörfern und kleinen Städten findet einfach alles statt, was man bisher nur aus den australischen Bildbänden kennt. Und ja, Cowboys gibt es tatsächlich!
Arbeit außerhalb der Städte
Außerhalb der Großstädte zu reisen, um ein Festival zu besuchen, ist meist nur die eine Seite der Erfahrung. Gleichzeitig gibt es außerhalb der Großstädte oftmals mehr Arbeitsmöglichkeiten mit dem Work & Holiday Visum als in der Großstadt, die sich durchaus in einem Gespräch auf einem Festival ergeben können.
Für Pubs werden Aushilfen gesucht und Obstplantagen bieten Fruit Picking für ein paar Wochen oder Monate an. Einfach mit verschiedenen Pubs in Kontakt treten, um Geld zu verdienen und das wilde Australien hautnah für ein paar Wochen kennenzulernen.
© Foto: Tourism & Events Queensland
Unterkunft und Transport
Die Städte und Dörfer, in denen Festivals stattfinden, zeigen das Australien, das noch nicht mit Hostels und Hotels überfüllt ist und oftmals noch von Reiseführern vergessen wird. Jede Stadt bietet allerdings verschiedene Unterkunftsmöglichkeiten, wie beispielsweise in einem Pub oder auf dem Zeltplatz am Stadtrand.
Eine Auflistung der australischen Pubs gibt es hier. Camping und Caravan Parks finden sich meist nur wenige Minuten entfernt vom Zentrum und bieten Stellplätze und manchmal auch kleine Hütten als Übernachtungsmöglichkeit. Lest den Bericht von Cathrin Essbach über alles Rund ums Campen.
Am unkompliziertesten ist es, die Festivals mit einem eigenen Auto oder einem Mietauto zu erreichen. Doch mit ein bisschen Geduld und mehr Zeit kann man die meisten Plätze auch mit Zügen und Bussen erreichen.
Einen Überblick über das australische Zugnetzwerk gibt es auf der unseren "Bahnfahren-Seiten".
Auch fahren Busorganisationen wie Greyhound die größeren Städte an, von denen es dann meist mit einem lokalen Bus in die kleineren Ortschaften weitergeht. Am besten immer durchfragen, denn besonders bei Fragen nach dem Weg macht man bereits die ersten Bekanntschaften.
Und wer weiß: man sieht sich womöglich auf dem nächsten Dorffest wieder!